Multiview – Videoplattform mit multiperspektivischen Videoaufnahmen von Schulunterricht

Tool

Urheberschaft, Verlag, Firma, Institution:
Zukunftszentrum Lehrerbildung Leuphana Universität Lüneburg

Anwendungsbereich:
Forschung, Lehrer_innenbildung, Lehrkräftefortbildung

Anwender*nnen:
Forschende, Studierende und Lehrende

Techn. Voraussetzungen: Internet-Browser Google Chrome, Mozilla Firefox und weitere

Kontakt:
Dr. Jan T. Claussen
multiview@leuphana.de

Link:
http://www.multiview.leuphana.de

Literatur:
Blomberg, G., Renkl, A., Gamoran Sherin, M., Borko, H., & Seidel, T. (2013). Five research-based heuristics for using video in pre-service teacher education. Journal for Educational Research Online, 5(1), 90–114.

Borko, H., Jacobs, J., Eiteljorg, E., & Pittman, M. E. (2008). Video as a tool for fostering productive discussions in mathematics professional development. Teaching and Teacher Education, 24(2), 417–436.

Krammer, Kathrin; Reusser, Kurt: Unterrichtsvideos als Medium der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen – In: Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung 23 (2005) 1, S. 35-50 – URN: urn:nbn:de:0111-pedocs-13561

Mohr, S., Santagat; R. (2015). Changes in Beliefs about Teaching and Learning during Teacher Preparation: The Impact of a Video-Enhanced Math Methods Course.  Orbis Scholae, 9(2), 103-117.

Paulicke, P., Ehmke, T.; Schmidt, T. (2015): Hier werden Parallelwelten im Unterricht sichtbar – Multiperspektivische Unterrichtsvideos in der universitären LehrerInnenausbildung. In: SEMINAR, 3/15, S.15-27.

Paulicke, Prisca; Ehmke, Timo; Pietsch, Marcus; Schmidt, Torben. Wie beeinflusst die Kameraperspektive die Beurteilung der Unterrichtsqualität? Zeitschrift für Bildungsforschung, 26. August 2019. https://doi.org/10.1007/s35834-019-00246-2.

Sherin, M. G., & Han, S. Y. (2004). Teacher learning in the context of a video club. Teaching and Teacher Education20(2), 163–183. https://doi.org/10.1016/j.tate.2003.08.001

Multiview ist eine Videoplattform mit authentischen, multiperspektivischen Unterrichtsvideos für die Professionalisierung von Lehramtsstudierenden und zum Zwecke der Forschung. Die bis zu 17 Kameraperspektiven (Vogelperspektiven, Lehrkraftperspektiven, Gruppentischperspektiven) sorgen für einen umfassenden Einblick in die Unterrichtsprozesse aus verschiedenen Fächern und Schulstufen. Die Unterrichtsmaterialien, ein vorstrukturiertes Reflexionsvideo der Lehrkraft sowie analytisch aufbereitete Unterrichtssequenzen ergänzen das Datenmaterial und können somit zur Veranschaulichung, Analyse und Reflexion des Unterrichtsgeschehens genutzt werden. Ferner werden auf Multiview Lernbausteine zur Implementierung der Unterrichtsvideos innerhalb von Seminareinheiten zu den Themenfeldern Heterogenität und Inklusion, Kompetenzorientierte Unterrichtsgestaltung, Coaching und Mentoring sowie Lehrkräftegesundheit bereitgestellt.

Eine Videodatenbank mit authentischen Unterrichtssequenzen

Um die Qualität der Lehramtsausbildung an der Leuphana Universität stetig weiterzuentwickeln, wurden unterschiedliche Strategien entworfen. Eine dieser Strategien umfasst den Aufbau einer Videodatenbank mit authentischen Unterrichtssequenzen. Die Studierenden sollen mithilfe von Unterrichtsanalyse und -reflexion ihre Kompetenzen in verschiedenen Bereichen, z.B. sinnstiftende Unterrichtsqualität, Fehlerkultur, Unterrichtsstörungen oder Umgang mit heterogenen Schüler_innen, erweitern.

Die Unterrichtssequenzen stehen zum einen den Dozierenden zur Verfügung, sodass sie gemeinsam mit den Studierenden analysiert und reflektiert werden können. Zum anderen können auch die Studierenden selbst anhand der Unterrichtssequenzen Fragestellungen entwickeln, erforschen und analysieren. Dies bedeutet insbesondere bezüglich der Bachelor- bzw. Masterarbeiten eine Bereicherung im Sinne des „forschenden Lernens“. Zudem gewährleistet die Aufnahme einen hohen Grad an Authentizität, denn der Unterricht wird ohne Drehbuch und frei von Regieanweisungen gefilmt. Dies ermöglicht einen hohen Bezug zur Wirklichkeit des späteren Aufgaben- und Anforderungsbereichs der Studierenden.

Leitprinzip Multiperspektivität

Empirische Studien aus dem Bereich der Lehrerbildungsforschung haben gezeigt, dass die Arbeit mit videografiertem Unterricht eine wirksame Möglichkeit darstellt, um die unterrichtliche Kompetenz von Lehrkräften zu erweitern (Mohr und Santagata 2015; Blomberg et al. 2013).  Neben vielfältigen Möglichkeiten, welche die Videographie in Bezug auf die Entwicklung der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen bietet, birgt sie auch einige Herausforderungen. So besteht die Gefahr, dass bei der Videoanalyse vordergründig auf die  gefilmte Lehrperson geachtet wird, anstatt den Fokus auf die eigentlichen Unterrichtsprozesse zu richten (Borko et al. 2008). Ferner können sozialpsychologisch-bedingte verfälschte Wahrnehmungen auftreten (Krammer und Reusser 2005) und der limitierende Blickwinkel des Aufnahmegeräts die Wahrnehmung der Lehrkräfte beeinflussen (Sherin 2004).

Im multiperspektivischen Verfahren werden diese Nachteile durch den Einsatz sowohl von mehreren Aufnahmegeräten als auch von kontextualisierenden Begleitmaterialien reduziert, mit dem Ziel, ein umfassenderes Bild von den Interaktionen und den Aufgabenbearbeitungsprozessen im Unterricht entstehen zu lassen (vgl. Sherin 2004; Krammer et al. 2015). Zusätzlich zur Lehrer_innen-Kamera und der Totalen/Vogelperspektive werden Tischgruppen mit einzelnen Aufnahmegeräten ausgestattet, sodass Interaktionen zwischen Schülerinnen und Schülern genauso detailliert analysiert werden können wie die Interaktionen mit der Lehrkraft. Im multiperspektivischen Videoplayer können die verschiedenen Perspektiven auf Unterricht gleichzeitig oder nacheinander beobachtet und der Analyse zugänglich gemacht werden. In ersten empirischen Untersuchungen ermöglichten die multiperspektivischen Videoaufnahmen den angehenden Lehrkräften komplexere Reflexionen des dargestellten Unterrichts (Paulicke et al. 2015). Die mehrperspektivische Aufzeichnung ermöglicht einen vertieften Einblick in die Unterrichtsprozesse sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene, und verdeutlicht damit den  Mehrwert der Aufnahmen als Lehr- bzw. Lerngegenstand.